schon länger als die Kartoffel
Verwendung als Rohstoff und Nahrungsmittel
Cannabis, lateinisch für Hanf, ist aus der Geschichte Deutschlands nicht wegzudenken. Der älteste Hanffund in Deutschland war bei Eisenberg im heutigen Thüringen. Er wurde auf ca. 5.500 v. Chr. datiert. Die Kartoffel hingegen wurde erstmals 1647 n. Chr. in Deutschland angebaut, nachdem sie aus Amerika importiert wurde – auf Schiffen, die für ihre Reise tonnenweise Hanfsegel und -seile benötigten. Die Cannabispflanze zählt damit zu den ältesten in Deutschland bekannten Nutz- und Kulturpflanzen.(1)Spektrum – Hanf – mehr als nur eine Droge, 05.02.2016
Die Samen der Pflanze wurden zu Mehl und Öl verarbeitet, die besonders starken Fasern der Pflanze zu Textilien.
Gerade in der Schifffahrt waren Seile, Segel und Kleidung aus Hanf unverzichtbar, da die Faser sehr widerstandsfähig gegenüber Salzwasser ist und weniger Wasser aufnimmt als viele andere Fasern.
Ein kurzer Überblick:(2)Hanffaser Uckermark – Geschichtliche Details
5500 v. Chr. | Älteste Hanffunde in Europa bei Eisenberg (Thüringen) |
2000 v. Chr. | Germanischer Mantel aus grobem Hanfbast |
565 n. Chr. | Grabkleid der Merowingerkönigin Adelgund in Paris aus feinem Hanf-Leinen |
ca. 800 n. Chr. | Karl der Große verfügt ein Dekret zur Leinenherstellung; Vereinheitlichte Verarbeitung von Flachs und Hanf; beide werden gemeinsamer Rohstoff des Leinengewebes |
1300 – 1350 | Gründung von Leinenwebergilden in Brandenburg |
1390 | Eröffnung der ersten Papiermühle in Nürnberg; Papier aus Hanf- und Flachslumpen |
1455 | Gutenberg druckt die erste Bibel auf Hanfpapier (Hanf und Flachs sind gleichberechtigte Papierrohstoffe) |
16. – 18. Jhd. | Die Kolonien machen Europa reich. Große Zeit der Segelschiffahrt; Segel, Takelagen und Seile aus Hanf |
auf Hanfpapier gedruckt
Ab dem 13. Jahrhundert verbreitete sich in Europa die Herstellung von Papier aus Cannabisfasern. Die Gutenberg-Bibel oder auch die amerikanische Unabhängigkeitserklärung(3)Planet Wissen – Hanf, 08.05.2020 sind vor allem deshalb heute noch erhalten, weil sie auf dem gegenüber Papier aus Holz deutlich länger haltbaren Hanfpapier geschrieben wurden.
Bis ins 18. Jahrhundert waren Hanffasern daher zusammen mit Flachs, Nessel und Wolle die wichtigsten Rohstoffe der europäischen Textilindustrie. Danach wurden sie weitgehend durch die importierte und günstigere Baumwolle abgelöst.
Im Zweiten Weltkrieg wurde der Hanfanbau kurze Zeit noch einmal staatlich gefördert, danach jedoch kaum noch praktiziert. 1982 wurde der Anbau mit der Verschärfung des Betäubungsmittelgesetzes komplett verboten. Erst seit 1996 dürfen deutsche Landwirte wieder Cannabis pflanzen(4)Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz – BtMG) § 24a Anzeige des Anbaus von Nutzhanf, zunächst nur Sorten mit einem THC-Gehalt unter 0,3 %, nach einer späteren Verschärfung sogar nur bis maximal 0,2 % THC.
Heutzutage spielen die ökologischen Vorteile eine immer größere Rolle. Hanf produziert sehr viel Biomasse pro Quadratmeter und verdrängt Unkraut durch den schnellen Wuchs. Befall mit Schädlingen und Pilzen gibt es kaum. Dadurch können Bauern leicht die Kriterien des Ökolandbaus einhalten. Außerdem verträgt Hanf durch die tiefen Wurzeln Trockenheit besser als viele andere Kulturpflanzen.(5)Ökolandbau.de: Ökologischer Hanfanbau
in der deutschen Sprache
Vogel “Hänfling”
Begriff “schäbig”
Begriff “Hänfling”
Das Dorf Hanf im Hanfbachtal
Südlich der nordrhein-westfälischen Stadt Hennef (Hennep = niederländisch für Hanf) fließt der Hanfbach durch das Hanfbachtal nahe des Dörfchens Hanf – eine Region, die jahrhundertelang auch vom Hanfanbau lebte. In vielen anderen Gegenden Deutschlands findet man ebenfalls Hanfstraßen, Hanfwege und ähnliche Bezeichnungen. Auch der Nachname Hanf ist in Deutschland nicht selten und weist auf ganze Generationen, die im Hanfgeschäft tätig waren, hin.
Hildegard von Bingen (ca. 1150–1160)
Hildegard von Bingen empfängt eine göttliche Inspiration und gibt sie an ihren Schreiber weiter. Miniatur aus dem Rupertsberger Codex des Liber Scivias.(6)Wikipedia – Hildegard von Bingen
Der erste in Deutschland schriftlich festgehaltene Hinweis auf die Wirkungen der Einnahme von Cannabis findet sich in der berühmten Schrift Hildegard von Bingens „Physica – Liber simplicis medicinae“ (ca. 1150–1160). Die Hanfpflanze wird dort mit diversen medizinisch wertvollen Eigenschaften beschrieben, unter anderem als schmerzstillend und verdauungsfördernd.(7)Angela Raab – Weißbuch Cannabis: Indikationen, Wirkungen, Risiken, Nebenwirkungen, 2016
Im 19. Jahrhundert wurde Cannabis dann zu einem viel genutzten Medikament in Deutschland und Europa. Die meisten Apotheken vertrieben es in verschiedensten Formen und gegen unterschiedliche Krankheiten, z. B. äußerlich gegen Hühneraugen und Warzen oder innerlich gegen Schmerzen, Migräne, Schlafstörungen und viele andere Beschwerden.(8)Hans Georg Behr – Von Hanf ist die Rede. Kultur und Politik einer Droge, 1982.
Knaster-Hanf: Tabakersatz oder Rauschmittel?
Das Rauchen von Hanfblüten und Blättern als sogenannter Knaster (9)Wikipedia – Knaster war in Deutschland vom 18. bis Mitte des 20. Jahrhunderts besonders bei ärmeren Menschen verbreitet, wohl vor allem da Tabak teurer und im Anbau anspruchsvoller war. Dieses Cannabis knisterte aufgrund seiner enthaltenen Samen beim Verbrennen und enthielt deutlich weniger berauschendes THC als heutige Cannabisprodukte.
Dennoch war der damals gerauchte Hanf wohl mitnichten komplett wirkungslos. So beschrieb Wilhelm Busch in seiner 1864 erstmals erschienenen Geschichte „Krischan mit der Piepe“(10)Wilhelm Busch – Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 1, Hamburg 1959, S. 316-328 (Abb. rechts) sehr anschaulich den möglichen Horrortrip, den Kinder nach dem heimlichen Rauchen der väterlichen Hanfpfeife erleben können. (11)Angela Raab – Weißbuch Cannabis: Indikationen, Wirkungen, Risiken, Nebenwirkungen, 2016
Zeichnung aus Wilhelm Buschs Geschichte “Krischan mit der Piepe”
langen Kulturgeschichte
Seit dem 10. Dezember 1929 gilt Cannabis in Deutschland als verbotene Droge.(12)Handelsblatt – So kam es zum Cannabis-Verbot in Deutschland, 07.02.2018 Im Zweiten Weltkrieg änderte sich dies noch einmal kurz, da die Versorgung mit Baumwolle und anderen importierten Fasern eingeschränkt war. Im Jahr 1942 veröffentlichte der Reichsnährstand des Deutschen Reichs die „lustige Hanffibel“, um Bauern wieder im Hanfanbau zu schulen und die Produktion für Uniformen und Seile zu steigern.(13)Reichsnährstand Deutsches Reich (1942) – Die lustige Hanffibel In den USA liefen währenddessen in Kinos Werbefilme der Kampagne „Hemp for Victory“ mit dem gleichen Ziel.(14)US Department of Agriculture / Office of Public Affairs (1942) – Hemp for Victory
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs verlor der Hanfanbau in Deutschland und den meisten anderen Ländern seine Bedeutung. Mit der Einführung des heutigen Betäubungsmittelgesetzes 1971 begann dann die vermehrte Strafverfolgung von einfachen Konsumenten,(15)Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Opiumgesetz) vom 22.12.1971 die seitdem immer größere Dimensionen annimmt. Im Jahr 2019 wurden über 220.000 Strafverfahren wegen Cannabis geführt, die höchste Zahl in der deutschen Geschichte.(16)Bundeskriminalamt – Polizeiliche Kriminalstatistik 2019
Cannabis ist keine Einstiegsdroge
Bis heute hält sich die Theorie der Einstiegsdroge und führt bei Angehörigen von Konsumenten zu großen Ängsten. Wissenschaftlich gilt sie jedoch als widerlegt.
Quellen